Denkt
Ihr, jetzt wo unsere Kreuzfahrt offiziell beendet ist, werden wir wohl nichts
mehr zu erzählen haben? Na, wartet mal ab!
Erstmal
wie unsere Situation jetzt ist, aber natürlich kann sich die stündlich ändern.
Vielleicht ist schon alles anders, ehe ich diese Erzählung beende.
Wir
haben gestern Abend Sydney verlassen und sind jetzt auf dem Weg nach Melbourne!
Melbourne? Ja, Melbourne! Wir fahren also südlich um Australien herum, nicht
wie es im ursprünglichen Plan
vorgesehen war, die Ostküste hinauf. Morgen
kommen wir in Melbourne an und dort gibt es eine weitere Gelegenheit, das
Schiff zu verlassen und in die Heimatländer zurück zu fliegen. Von Melbourne
aus fährt das Schiff nach Fremantle weiter, wo es am 24.3. einen technischen
Stopp gibt, um aufzutanken und Vorräte an Bord zu nehmen. Und dann geht die
Reise weiter ohne Stopps nach Dubai.
Die
Frage ist: was ist mit den Passagieren. Unsere, Michaels und meine,
Interpretation
ist, dass wir die Wahl haben: wir können entweder in Melbourne
aussteigen oder wir können bis Dubai auf dem Schiff bleiben. In beiden Fällen
sorgt die Schifffahrtsgesellschaft dafür, dass wir Flüge nach Deutschland
bekommen und bezahlt diese auch. Es ist jedoch so, dass gleichzeitig tausende
von Gerüchten herumschwirren, Gruppen sich bilden, Rebellionen angezettelt
werden, es kann also sein, dass unsere Version nicht zutrifft. Was stimmt, ist,
dass wir ein Formblatt unterschrieben haben, auf dem wir unsere Wünsche erklärt haben, nämlich bis Dubai auf dem Schiff zu bleiben und dann nach München zu fliegen, aber auf demselben Blatt haben wir auch unterschrieben, dass wir uns jeder Anordnung des Schiffes fügen werden. Und das kann natürlich heißen, dass wir gesagt bekommen: ‚Packt eure Koffer, an dem Tag, zu der Zeit fliegt ihr von Melbourne nach Hause‘ und das wäre es dann. Ich erspare euch die Gründe, warum wir denken, dass das unwahrscheinlich ist, und sage nur, dass wir tatsächlich alles akzeptieren, was sie für uns tun werden.
Übrigens hatten die Leute aus beiden Teilen Amerikas diese Wahl nicht, da es für sie so viel leichter ist, von Melbourne aus ohne Zwischenstopps nach Hause zu kommen als von Dubai aus.
Was
also passierte zwischen Hobart und heute? Wir kamen am Montagmorgen in Sydney
an. Das Wetter war düster: dichte Wolken und heftiger Regen wurden durch
plötzliche Sonneneinbrüche erhellt, Regenbogen über Sidney: ein Zeichen der
Hoffnung. Da der Pier noch von einem
anderen Schiff besetzt war, mussten wir in
der Bay vor Anker gehen, wo wir einen phantastischen Blick auf die Stadt, die
Oper und die Harbour Bridge hatten. Normalerweise hätten wir da getendert, aber
so lagen wir nur da und warteten ab bis am frühen Abend das andere Schiff den
Hafen verließ und wir an den Pier konnten, wo wir noch einen besseren Blick auf
das Stadtzentrum hatten. Niemals hat eine Stadt einladender und schöner
ausgesehen, als Sydney an diesem Abend! Alle waren an Deck, um so viel wie
möglich von der Stadt mitzubekommen.
Es
hatte Informationsveranstaltungen mit dem Kapitän und den wichtigsten
Offizieren in allen Bordsprachen gegeben. Wir waren in das englisch-sprachige
Meeting gegangen, weil es das erste war. Danach waren die Französischsprachigen
dran, dann die Deutschsprachigen. In der englischen Veranstaltung bekam der
Kapitän stehende Ovationen, einige der gestellten Fragen war okay, einige waren
ein
bisschen dumm, aber alles in allem, war es eine ruhige Angelegenheit mit
viel Unterstützung für die Entscheidungen, die der Kapitän treffen musste. In
dem französischen Treffen muss es hoch hergegangen sein. Es dauerte viel länger
als geplant, man hörte wütende Streitereien und als die Leute aus dem Theater
herauskamen sahen viele äußerst gereizt und zornig aus. Das deutsche Meeting
dagegen lief etwa so wie das englische. Die meisten im Saal unterstützten den
Kapitän und der Beifall schien ihn sogar zu rühren. Aber einige der nachfolgenden Fragen waren – entschuldigt, aber ich war wirklich sauer - total egoistisch: ‚ICH habe dieses Problem!‘, ‚ICH habe das Problem!‘, ‚ICH will Entschädigung.’, ‘Das habe ICH nicht gebucht!‘. Als ob es die Schuld des Kapitäns, des Schiffes oder irgendeines anderen wäre, dass wir in dieser Lage stecken! Was in den anderen drei Treffen (italienisch, spanisch und portugiesisch) passiert ist, weiß ich nicht. Manchmal geht mir zu viel Menschheit auch ganz schön auf die Nerven.
Zum
Schluss gab es an Bord nur ein einziges Thema: bleiben oder fliegen. An diesem
Abend war der Stand der Dinge, dass jeder das Schiff am nächsten Morgen
verlassen konnte, aber sie mussten ihre Heimreise selbst organisieren und die
Fragen einer Kompensation würden später geklärt. So teilten sich die Passagiere
auf in eine Mehrheit, die bleiben wollte und eine stattliche Minderheit, die
gehen wollte, und die wurden von den Bleibenden schon ein bisschen als Verräter
betrachtet. Einige, die
das Schiff verlassen wollten, hatten dafür wirklich
gute Gründe: sie waren Australier und brauchten nur nach Hause zu fahren. Für
andere, wie Amerikaner und Kanadier war es viel einfacher von Sydney aus ohne
Zwischenstopps nach Hause zu kommen, als es von jedem anderen Hafen aus gewesen
wäre. Das war absolut okay. Aber manche Gründe fand ich absolut absurd. Da war
eine deutsche, vierköpfige Familie: Vater, Mutter, ein Kleinkind und ein Baby,
die ihre Kabine ganz in unserer Nähe hatten. Der Vater hatte in dem Meeting
erklärt, er hätte eine Kreuzfahrt gebucht und keine Seereise. Naja, während der Kreuzfahrt haben wir Mutter und Kinder sehr selten gesehen, und ihn haben wir gesehen, mit einem Handy in der Hand, Geschäftsgespräche führend. Aber jetzt konnte er die Idee, noch ein paar Wochen auf dem Schiff zu bleiben, nicht ertragen und setzte seine junge Familie einem ungewissen Rückweg aus, der nicht ohne Zwischenlandungen und damit eventuell drohender Quarantäne ablaufen könnte?
Manche Leute waren einfach ehrlich: sie wollten in ihren „Stall“ zurück, wie müde Tiere ihren Bau aufsuchen. Das kann ich verstehen, trotzdem denke ich, dass unsere Sicherheit auf diesem Schiff zurzeit größer ist als irgendwo zuhause.
So
verließen am Dienstagmorgen zwischen 7:00 Uhr und 10:00 Uhr alle die Passagiere
das Schiff, die ihre Heimreise selbst organisiert hatten. Wir machten das Beste
aus dem Tag, wir hörten einen italienischen Vortrag über Caravaggio und einen
englischen über die großen Navigatoren. Am Abend mussten wir den Platz am Pier
wieder für ein anderes Schiff räumen. In der Bay ankerten zwei
Kreuzfahrtschiffe. Wir googelten sie und kamen zu der Überzeugung, dass sich
auf keinem der Schiffe noch Passagiere befanden. Das wurde bestätigt, als wir
an ihnen vorbeifuhren, denn da war keiner, der freundlich zu uns herüber
gewinkt hätte. Sollten wir tatsächlich in zwei Wochen in Dubai ankommen, sind
wir vielleicht das letzte Kreuzfahrtschiff, das noch Passagiere an Bord hat.
In
diesem Moment dachten wir noch, wir führen über Nacht aus dem Hafen hinaus und
würden am nächsten Tag nach Sydney zurückkehren. So warteten wir, wie an jedem
Abend, auf die täglichen Informationsblätter, die in der Regel so gegen 21:00
Uhr ankommen. Es wurde später und später. Keine Information! Schließlich kurz
vor Mitternacht kam sie dann zusammen mit einem Brief und zwei Formblättern. Da
wurden wir dann informiert, dass wir nun nach Melbourne fahren, und was weiter
geschehen würde.
Und wir wurden aufgefordert, die Fragen zu beantworten und die
Blätter bei der Rezeption abzugeben. Wir füllten sie aus, und da ich hellwach
war, zog ich los mit dem Gedanken: „Die Rezeption ist 24 Stunden besetzt.
Morgen früh wird die Schlange endlos sein. Also gehe ich besser jetzt gleich.“
Als ich also bei der Rezeption ankam, stellte ich fest, dass nicht nur ich
diesen Gedanken hatte. Es dauerte aber dann doch gar nicht so lange, bis ich
unsere Wünsche angemeldet hatte. Auf dem Weg zurück fiel ich einer Gruppe
deutscher Mitreisender in die Hände, die offensichtlich keinen Schimmer hatten,
was jetzt vor sich ging, und schrecklich aufgeregt waren. Da fand ich mich
plötzlich in der Rolle des Friedensstifters und musste erklären, was der
Kapitän sich dabei wohl gedacht hatte, was mir doch gar nicht zustand. Ich
hatte das Gefühl, diese Leute machen sich selbst und sich gegenseitig fertig,
mit allen möglichen Spekulationen und Vermutungen über Dinge, die man entweder nun
nicht ändern kann oder die vollständig aus der Luft gegriffen sind. Zum Schluss
kam auch noch der Michael herunter. Er war schon im Bett gewesen, als ich
losgezogen war, und hatte angefangen, sich Sorgen zu machen, weil ich so gar
nicht zurückkommen wollte. Schließlich landeten wir dann doch in unserer Kabine
und fanden noch ein paar Stunden Schlaf.
Heute
ist ein netter, sonniger Tag. Wir segeln an der australischen Südküste entlang.
Wir warten auf weitere Informationen und hoffen, dass ihr unsere Fotos aus
Sydney mögt, die wir machten, ohne Sydney je betreten zu haben.
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If you think,
now that our cruise is officially over, they will have nothing much to tell,
you will be surprised. First of all I will tell you what the situation is right
now, but I have to make you aware that this might change hourly. So perhaps
when I come to the end of today’s report, there will be a new version.
We have left Sydney yesterday
evening and we are now sailing to Melbourne! Melbourne? Yes, Melbourne! So we
are taking the southern route around Australia. We will land in Melbourne
tomorrow and there will be another occasion to leave the ship and find a flight
home, wherever home may be. From Melbourne the ship will proceed to Fremantle,
where it will arrive on the 24th of March for a technical stop,
which means to refuel and refill. And then the ship will sail to Dubai without
further stops.
The difficulty is: what will happen
to the passengers. Our, Michael’s and my understanding is that we have a
choice: we can either leave in Melbourne or we can go on to Dubai. In both
cases the ship’s company will ensure that we will get on a plane back home and
they will pay for the flights. However, in this calamity there are thousands of
rumours going around, groups forming, rebellions starting, so we might be
mistaken. What is true is that we have signed a form which states our wishes:
stay on the ship until Dubai and then fly to Munich, but on the same form we
have signed a declaration, that we will respect and follow the decision the
company takes for us. Yes, that could mean that they have the right to tell us:
‘Pack your bags, your flight will leave that day at that hour from Melbourne!’
and that would be it. I will spare you the reason why I think that won’t happen
and just state that we will indeed accept whatever they will do for us. By the
way that decision was not open to people from both parts of America, as for
them it is much easier and less stops to return home from Melbourne than from
Dubai.
So what happened between Hobart and
now? We sailed into Sydney on Monday morning. The weather was wild: thick
clouds with heavy rain interrupted by sudden changes with a bright sun coming
out for seconds, rainbows over Sydney: a sign of hope. As the pier was blocked
by another cruise ship, we had to anchor in a bay from where we had a great
view towards the city, the opera and the Harbour Bridge. Under other
circumstances we would have tendered to reach the city, but as it was, we were
just there and waited until early evening when the other ship left and we could
dock at the pier, which brought us even closer to the city centre. Never has a
city looked more inviting and beautiful as Sydney did that night. Everybody was
on deck to get as much glimpses of all there was to be seen from the ship.
There had been information sessions
with the captain and the most important officers in all the languages on board.
We went to the English-speaking meeting, as it was the first, after that it was
the French turn, of which we only caught the reactions, and then we went back
for the German meeting. In the English meeting the captain got standing
ovations, some of the questions of the passengers were fair enough, some were a
bit stupid, but all in all it was a calm affair with a lot of support for the
decisions the captain had to make. In the French meetings, which took much longer
than planned, the mood must have been totally different, there was shouting and
heated discussions and when the French left, most of them looked really angry
and furious. The German meeting went very much like the English-speaking one.
Most of the audience supported the captain’s decision and gave him an applause
which seemed even to move him a bit. But then some of questions were – sorry to
say, it made me angry – very selfish: ‘I have this problem!’, ‘I have that
problem!’, ‘I want compensation!’, ‘This is not what I have booked!’. As if it
was the fault of the captain, the ship or whomever that we are now in that
situation! I can’t tell you how the other three meetings (Italian, Spanish, and
Portuguese) went. Sometimes too much humanity goes on my nerves.
In the end amongst the passengers
there was only one theme: to stay or to leave. In that moment the regulation
was that everybody could leave the ship next morning, when we docked at the
pier, but they had to find their own way home and if there was any compensation
it would be clarified in the future. So the fault line was that most of the
passengers wanted to stay and treated those who wanted to leave a bit like
traitors. Some had really good reasons: they were Australians, who just went
home. Others, Americans or Canadians as a rule, found it easier to get a
non-stop flight back home from here than from any other port. So that was
absolutely okay. But I have to admit that there were some people giving reasons
which seemed to be absurd. There was a German family of four: father, mother,
toddler and baby. Their cabin was near to ours. The father had stated publicly
that he had booked a cruise not a sea voyage. Well, while cruising, we hardly
ever saw his wife and the children and he was mostly on the mobile handling
business. But now he could not stand the idea to spend some more time on the
ship and forced his family and young children unto a voyage with transfers in
airports and the chance to be quarantined somewhere? Some people were just
honest and admitted that all they wanted was their own ‘stable’, a bit like a
tired animal, which I could understand and still I think that on this
corona-free ship for the time being we are much safer than even at home.
So on Tuesday morning from 7:00 to
10:00 all those leavers left. And we made the best of the day listening to a
talk about Caravaggio in Italian, and a lecture on navigators in English. In
the evening we had to leave the pier for another cruise ship which was already
waiting in the bay. Actually there were two ships anchoring there. We googled
them and realised that both by then must have been void of passengers. And when
we passed them in the evening this was what they looked like. Nobody was
standing on decks, giving us a friendly wave. If we go to Dubai and arrive in
two weeks’ time we will perhaps be the only ship worldwide which stills carries
passengers.
In that moment we thought that we
would go out of the harbour and return the next day. So as usual we were
waiting for the daily information which always arrived at around 9 o’clock pm.
It became later and later, we waited for our information. Going on to midnight
a letter and questionnaires were delivered to every cabin. First we were
informed that we were going to Melbourne and what would happen after that. Then
we were asked to fill the questionnaire and return it to reception. So we
filled the questionnaire as good as we understood the questions. As I was wide
awake I thought: ‘Reception is open 24 hours. Tomorrow the queues will be
endless. So I better go now.’ But when I came to reception I realised that I
was not the only one with a working brain. Still it did not take long to
explain our wishes and hand in our papers. Only when I came back I was waylaid
by a group of Germans who questioned me and I suddenly found myself in the rule
of peacemaker and interpreter of the captain’s plans, of which I had no idea,
but I thought those people made themselves sick with worries about things they
either couldn’t change or things which are not true at all. Eventually Michael
came down. He had been in bed already when I left for my quest and now he
worried what had happen to me because I did not come back. In the end we made
it back to the cabin and we found a few hours’ sleep.
Today is a nice and sunny day. We
are sailing along the south coast of Australia. We wait for the next
information and hope that you like the photos we have taken from Sydney without
ever having been there.
Yes, as you say, no shortage of material to report. I too find it incredibly irritating when people in circumstances like these (stressful for sure, but could be so much worse) start acting as they and their wants (not needs) are the only thing in the world that matters! But at least you have enjoyed the sight of Sydney from the harbour, if not closer up. And rest assured, the sense that the situation is changing hour by hour so it's hard to know what to think, is not confined to those aboard a cruise ship...
AntwortenLöschenCheers, Gail.