Habt Ihr uns vermisst? Die
letzten vier Tage segelten wir in einem Teil der Welt, der so einsam ist, dass
selbst das Internet hier keine Macht mehr hat. Kein Satellit strahlt hier auf
eine Gegend, die nur aus Wasser besteht. Jetzt nähern wir uns Rapa Nui (Osterinsel)
und jetzt sind wir auch wieder in Kontakt mit der Welt, hoffentlich.
Aber jetzt wollen wir erst einmal etwas über unsere Tage in Lima erzählen:
Wir haben zwei Tage dort verbracht. Die
Hauptstadt von Peru ist ebenfalls eine Stadt am Rande der Wüste, so wie es
Arica war, umgeben von Hügeln und Bergen, die nur aus Fels, Sand und Erde zu
bestehen scheinen. Und wie Arica ist Lima eine grüne Oase. Denn obwohl es hier
kaum regnet, ist die Luftfeuchtigkeit doch ständig hoch, und Lima durchqueren
drei Flüsse, die Wasser von den Anden herunterbringen. Die Leute in Lima sind
sehr stolz auf ihre üppigen Blumengärten
und ihre schönen Grünanlagen, und das
mit Recht.
Jeder unserer peruanischen Reiseführer
erklärte uns ausführlich die politische und soziale Situation in Peru. Nach dem
langen und fürchterlichen Bürgerkrieg, der erst in den Neunzigern zu Ende ging,
war das Land bankrott und am Boden zerstört, es gab sogar Ausbrüche von
Cholera. Der Frieden aber brachte eine Art kleines „Wirtschaftswunder“; die
Lebensbedingungen verbesserten sich enorm und verbessern sich immer weiter.
Aber beide Führer erklärten uns, dass das größte Problem weiterhin die
Korruption
wäre, und es war wirklich erstaunlich zu hören, wie viele Personen
aus leitenden Positionen mittlerweile deswegen im Gefängnis sitzen.
Lima: wir haben mittlerweile das
Gefühl, eine lateinamerikanische Stadt „lesen“ zu können. Stets gibt es ein
Zentrum, im traditionellen Spanischen- oder Kolonialstil, hier erstreckte es
sich um zwei Hauptplätze herum: den Plaza San Martin und den Plaza Mayor. Um
den Plaza Mayor herum sahen wir die Kathedrale, einige Regierungsgebäude und
eine Reihe eindrucksvoller Gebäude mit reichgeschmückten Holzbalkonen. Nicht
weit vom Plaza Mayor besuchten wir Kirche und Kloster Santo Domingo, wo
angesichts der Bibliothek den Bücherliebhabern unter uns das Herz höher schlug.
Wir fuhren durch moderne
Stadtteile, wo die Banken und Geschäfte ihre Hochhäuser hochgezogen haben, und
durch Wohnviertel der Wohlhabenden, die in ähnlich hohen Appartementblocks
hinter Mauern und mit Bewachung residieren. Es gibt sogar einen Golfplatz
mitten in der Stadt. Und wie an anderen Orten ziehen die Reichen mehr und mehr
die Küste entlang, wegen der besseren Luft und dem angenehmeren Leben: hier in
den
Vorstädten Barranco und Miraflores. In Miraflores hatten wir Zeit, ein
wenig durch den berühmten Love-Park zu spazieren, wo eine gewundene Mauer von
Mosaiken – ein wenig wie eine Kopie von Barcelonas Park Güell (Gaudí) –
Liebende und Liebesgedichte feiert.
Ein großer Teil der Stadt gehört
den Armen, deren Favelas denselben Charakter haben wie die, die wir an anderen
Orten gesehen haben: die notdürftigen Behausungen ziehen sich die steilen Hänge
empor ohne Zugang zu Wasser und Strom.
Was uns beschäftigt hat, waren
die typischen Strukturen der Häuser der Mittelklasse zu erkennen. Es beginnt
immer mit einem Grundstück einer bestimmten Breite und Tiefe. Das Erdgeschoss
füllt die gesamte Breite, reicht aber nicht bis an die Straße. An der Straße
kommt zuerst eine hohe Mauer oder ein massiver Zaun, oft noch mit Stacheldraht
obendrauf. Darin ein gut gesichertes
Tor. Dahinter befindet sich ein schmaler Vorhof bis zum tatsächlichen
Hauseingang. Das ist sozusagen der erste Bauabschnitt. Mit einem bisschen mehr
Geld kann dann ein erstes Stockwerk darauf gebaut werden, mit der Option
weiterer Stockwerke. Die außen angebauten Treppenhäuser werden Teil des kleinen
Vorhofs. Auf den flachen Dächern stehen oft Hütten oder Schuppen, oder es sind
bereits zwei neue Wände hochgezogen, aber noch kein Dach darüber. Diese Flächen
werden oft zum Wäschetrocknen oder zum Speichern benutzt. Wenn man also eine
typische Straße herunterschaut, so ähneln sich auf Straßenniveau alle Häuser,
aber jedes hat seine eigene Höhe. Wir sind uns ziemlich sicher, dass keinerlei
Bauvorschrift regelt, wie viele Stockwerke aus Stabilitätsgründen schließlich
auf diesen Unterbau gesetzt werden dürfen.
Wenn man an Peru denkt, dann
fallen einem wohl zuerst und vor allem die reichen Kulturen und Zivilisationen
der prä-kolumbianischen Zeit ein. Spuren davon findet man in Lima aber nur noch
in Museen. Wir haben zwei davon besucht, zunächst das Larco-Museum, das ist
eine private Sammlung in den Gebäuden einer schönen alten Hazienda, und
anschließend das peruanische Gold-Museum. An beiden Orten wurde uns klar, dass
wir noch viel zu wenig über die verschiedenen Kulturen dieser Gegend
wissen,
von denen die der Inkas die letzte war und nur ungefähr 100 Jahre dauerte. So
konnten wir nur die Schönheit und die handwerkliche Geschicklichkeit bewundern und
uns vornehmen, mehr darüber zu lernen.
Am Ende der zwei intensiven
Besichtigungstage waren sich alle einig, dass es sehr nett sein würde, jetzt
vier Seetage zu haben, an denen man sich ein bisschen entspannen und Gesehenes
verdauen kann. Wir brauchen das umso mehr, als der arme Michael nach mannhafter
Gegenwehr jetzt doch dem „Schiffs“-Virus zum Opfer gefallen ist. Das Problem
dabei ist, dass die normalen Mittelchen im Laden ausverkauft sind (die
Planungen bezüglich Erkrankungen waren offensichtlich viel zu niedrig). Man hat
uns deshalb zum Arzt weitergeschickt. Der Arzt hat entzündete Stimmbänder
diagnostiziert (hallo Herr Dr. Hausarzt: Chronic Laryngotracheitis. Wer’s hat,
kann es nicht aussprechen.). Also darf der arme Michael jetzt nicht sprechen,
sondern nur still vor sich hin leiden. Er muss nämlich fit für die Osterinseln
sein (2.043 Seemeilen / 3.790 km von Lima entfernt).
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You must have missed us. Sorry, but we are
sailing in an area of the world, where even the internet has lost its power. So
after four days at sea we are approaching Rapa Nui (Easter Island) and now we
are back in contact with the world (hopefully).
But first we wanted to tell you about our days on Lima:
We spent two days there. The Capital of Peru is a desert town like Arica was, surrounded by hills and mountains which consist only of rock, earth and sand. But like Arica it is a green oasis as well. They have hardly any rain, but the air humidity is always quite high and they have three rivers coming down from the Andes. So the people of Lima are very proud of their beautiful flower gardens and parks. And we thought there was good reason for this.
All our guides wanted us to understand the
Peruvian political and social situation and described it like this: after the
long and terrible civil war which only ended in the nineties, the country was
totally broke and on her knees, there even was cholera then. But with the peace
they experienced a kind of economic “miracle” and the living conditions
improved enormously and are improving all the time. But as everybody told us,
corruption is still the greatest problem; and the number of people who formerly
filled important positions and are in prison now, is impressive.
Lima: by now we feel we have learnt to “read” a
Latin-American city. There is always the centre, mostly in the Spanish or
Colonial style; here it surrounds two main squares: Plaza San Martin and Plaza
Mayor. On Plaza Mayor we saw the Cathedral, some government buildings and a row
of impressive houses with ornate wooden balconies. Not far from Plaza
A huge part are the quarters for the really
poor people, which here have the same character as the favelas we have seen in
other places; growing up steep hills without water and electricity.
What was fascinating to see, were the
structures of houses in the quarters of the middle classes. Typically it would
start with a site of a certain width and length. The ground floor would fill
the whole width, but there would be a wall or a high fence towards the street,
often with barbed wire on top, with a well-locked gate in it and then first a
small front-yard to the eventual entrance of the house. That would be the
beginning. With a bit more money a first floor would be added, with the option
to build further up when there was money enough. The outside staircases would
become part of the front-yards. Often on the “roof” there would be wooden huts
or sheds, or there already would be the next walls, but no roof yet, and these
spaces would be used to dry laundry or store things. So, when you look down a
street the houses on ground level would all look more or less the same, but
each house would have its own height. We were pretty sure that there would be
no building restrictions concerning the stability of a house which grows floor
by floor on the same structural basis.
When you think of Peru you first and foremost
think of the rich pre-Colombian civilisations. But to see traces of those in
the city you would have to go to some of the museums of Lima. We visited
Larco-Museum, a private collection in the buildings of a beautiful old hacienda,
and the Museo Oro del Peru. In both places we realised that we did not know
enough about the different cultures and civilisations in the area, of which the
Incas were only the last and lasted only for about 100 years. So we could just
enjoy the beauty and the craftsmanship in general and put ourselves to task to
learn more about it.
At the end of the second intensive day of
exploring everybody agreed that it was nice to now have four days at sea to
relax and digest all the new impressions. We need those days even more than
others because poor Michael after long resistance now also has succumbed to the
“ship’s” virus. It is a problem because the shop is out of over-the-counter
remedies (the amount of illness must have been heavier than estimated) and
sends him to the doctor. The doctor diagnosed an inflammation of the voice
cords, so now Michael is not allowed to talk, but has to suffer in silence. But
he will have to be fit for the Easter Islands (2.043 nautical miles / 3.790 km
from Lima).