Dieses wird ein Bericht über
drei Städte und ihr müsst ein wenig Geduld mit mir haben.
In Puerto Madryn/Argentinien auf
der Ostküste Südamerikas dachte ich: „Na, wenn die Anden den ganzen Regen
aufhalten, wird ja wohl die chilenische Küste grün und üppig sein.“
Weit gefehlt! Obwohl uns
Valparaíso mit dichtem Nebel begrüßte, zeigte sich die Landschaft schon auf unserem
Weg nach Santiago de Chile (ungefähr 120 km) verdorrt und trocken wie nach
einer langen
Dürre und das bisschen, was noch Grün war, schien ums nackte
Überleben zu kämpfen. Ich weiß nicht, ob es zu dieser Jahreszeit (Sommerende)
hier immer so ist, oder ob es ungewöhnliche Umstände waren. Aber ich habe einen
unserer Reiseführer sagen hören, dass sie schon seit mehr als einem Jahr mit
einer außergewöhnlichen Dürre zu kämpfen hätten.
Wir wussten natürlich, dass es
im Oktober Proteste gegeben hatte, als die Regierung
den Preis für Busfahrten
hochsetzen wollte, die sich zu schweren Unruhen ausgewachsen hatten, bei denen
auch Menschen ums Leben gekommen und viele Zerstörungen angerichtet worden
sind. Allerdings hatten wir bis dahin keine Spuren dieser Unruhe gesehen. Aber
hier in Santiago und in Valparaíso waren sie unübersehbar. Zuerst einmal war
nahezu jede Fläche mit Graffiti überzogen. Ausgebrannte Ampeln wurden ersetzt durch Freiwillige, die den Verkehr mit grünen, gelben und roten Tafeln lenkten. Die meisten Schaufenster von Geschäften waren mit Metall oder Holz gesichert oder zerbrochene Scheiben waren durch Sperrholzplatten ersetzt. Wir lernten die wichtigste Parole „ACAB = 1312 = All Cops are bastards“ kennen. Unser Bus musste einen Umweg fahren, weil auf einer der Hauptachsen nach Santiago hinein ein Bus brannte. Wir wurden gewarnt, uns nicht zu bestimmten Zeiten an bestimmten Plätzen aufzuhalten, weil dort die Demonstrationszüge starteten.
Unser Schiff lag zwei Tage in
Valparaíso. Am ersten machten wir einen Ausflug nach Santiago de Chile, am
zweiten besuchten wir Valparaíso und Viña del Mar. Die Reiseführerin auf
unserer Tour nach Santiago stand den Protesten sehr kritisch gegenüber und
erklärte uns: „Diese jungen Leute wollen alles für nichts.“, und dass es keinen
Respekt mehr für die Polizei oder das Militär gäbe.
Der Führer unserer zweiten Tour
dagegen meinte, dass dies eine von den Rechten ausgegebene Parole wäre, „dass
die Jungen, die Faulen, die Armen alles für nichts wollten“, wenn die, die sich
sonst kein Gehör verschaffen könnten, nun auf die Straße gingen. Natürlich sei
der Protest wegen der Tariferhöhung losgegangen, aber nun ginge es nur noch um
ganz entscheidende Fragen, wie die nach einer neuen Verfassung und wer dieser
den Stempel aufdrücken dürfe.
In unserem persönlichen
politischen Leben hat Chile und Santiago de Chile eine große Rolle gespielt,
zuerst durch die Wahl Salvador Allendes (1970) und dann durch den Pinochet-
Putsch
(1973) mit dem sich anschließenden endlosen Gewalt- und Folterregime. So hat
uns während unseres Besuchs in dem historischen Zentrum von Santiago mit dem La
Moneda Palast und dem Plaza de Armas mit der Kathedrale, nie ganz das Gefühl
verlassen, als ob die Wunden bei weitem noch nicht geheilt seien und noch eine
Menge im Untergrund brodelt, obwohl seit dem Ende der Diktatur etwa 15 Jahre
vergangen sind (Nach-Pinochet-Verfassung 2005).
In Chile fanden wir einiges
anders als in den anderen südamerikanischen Staaten, die wir bisher besucht
haben:
1. Die
enorme Rolle, die das Militär spielt. Der zentrale Platz in jeder Stadt heißt
Plaza de Armas (Waffenplatz). Die schönsten Gebäude rund um diesen Platz
gehören meist dem Militär oder der Marine. Es gibt eine große Anzahl von
Denkmälern für Siege oder für Schlachten, die die chilenische Armee geschlagen
hat. Einmal als Nation gegründet, scheint dieses Land sich sofort auf den Weg
gemacht zu haben, gegen alles und jeden zu kämpfen, vor allem wegen Landgewinn
und Zugang zu Handelswegen.
2. Wir
haben in allen Ländern große Gegensätze zwischen Arm und Reich gesehen, die
oftmals Seite an Seite existieren, aber nur hier haben wir Leute getroffen, die
so intensiv und ständig über soziale Schichten oder Klassen gesprochen haben.
Dass ungefähr 10% zur Oberschicht gehören, einigen Familien, denen im Grunde
alles gehört, dass es eine kleine Mittelschicht gibt, die die gesamte Bürde
tragen, und dass die riesige Unterschicht, die Habenichtse, nun auf einmal
dafür kämpfen, noch mehr als das zu bekommen, was sie jetzt schon umsonst
erhalten (unsere Reiseführerin in Santiago).
3. Wir
haben es als ein Zeichen allgemeiner Armut wahrgenommen, dass wir so
unglaublich viele Menschen sahen, die ganze Straßenzüge entlang versuchten,
irgendetwas zu verkaufen, ohne typische Straßenhändler zu sein. Es waren eigentlich
nur Leute, die versuchten, ihre eigenen überzähligen Kleidungsstücke, Möbel,
Spielzeug etc. zu etwas Geld zu machen. Eine Decke auf dem Boden, fünf
abgetragene Pullover darauf. Von weitem mochte das wirken wie auf einem
Flohmarkt, aber es hatte nichts von dem Spaß und der Leichtigkeit, die man mit
einem solchen Markt in Verbindung bringen würde. Michael meinte: „Es sieht aus,
als versuchte die eine Hälfte der Bevölkerung verzweifelt, der anderen Hälfte
der Bevölkerung etwas zu verkaufen.“ Und ich fand, das traf genau zu.
Und jetzt fragt Ihr mich: „Und
was ist mit den Städten, die Ihr besucht habt?“ Santiago liegt in einem Kessel,
von ziemlich hohen Bergen umgeben und so hängt eine Dunstglocke über der Stadt,
selbst bei schönem Wetter, wie wir es hatten. Es gibt hübsche Stadtviertel mit
bunt bemalten Häusern und im Zentrum das übliche Gemisch von älterer und
modernerer Architektur. Die Stadt schien uns ungewöhnlich ruhig zu sein, wenig
Menschen auf den Straßen, aber das kann daran gelegen haben, dass es Sonntag
war, oder an den Problemen, die ich oben beschrieben habe.
Valparaíso war lange Zeit der
wichtigere Ort, weil es vor der Eröffnung des Panamakanals einer der
wichtigsten Häfen an der Westküste ganz Amerikas war. Die Stadt ist auf 45
Hügeln errichtet, jeder Stadtteil hat seine eigenen Aufzüge von der Unterstadt
und seine eigenen Charakteristiken. Man fühlt sich ein bisschen an San
Francisco erinnert. So sind wir also auf und ab gefahren und haben das Zentrum
in der Unterstadt besucht und die Hügel, auf denen verschiedene Universitäten
liegen.
Viña del Mar ist die neueste
unter diesen Städten. Sie hat sich entwickelt, weil die reichen Leute sich neue
Wohnviertel gesucht haben, um einen größeren Abstand zwischen sich und dem Rest
zu schaffen. Und wenn man sich die weitere Küste betrachtet, so setzt sich auch
diese Entwicklung fort. Die Stadt selbst und ihre vielen Museen zeugen von der
Wohlhabenheit ihrer Bewohner.
Am Montagabend verließen wir
Valparaíso und sind jetzt auf unserem Weg nach Arica, dem letzten Halt auf dem
Festland von Chile, wo wir am Donnerstagmorgen ankommen werden.
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This will be a tale of three cities and you
will have to bear with me.
When we came to Puerto Madryn/Argentina on the
east coast of South America, I thought: ‘If the Andes keep all the rain from
falling on this side, then the coastal part of Chile will be green and lush’. Not
so! Although the city of Valparaíso welcomed us in rather thick fog, on our way
to Santiago de Chile (approx. 120 km) the landscape looked yellow and brown
like after a long draught and the bit of trees and bushes which were still
green, seem to cling on for dear life. I don’t know whether this was
normal for
this time of the year (end of summer) or whether this was exceptional, but I
understand from the different guides that the area has suffered under an
exceptional draught now for more than a year.
We were aware that in October protests had
started, triggered by a decision of the government to rise bus fares, and that
those protests had spread widely and turned into riots where people have lost
their lives and things have been demolished. Up to now we had seen no traces of
these riots, but now in
Santiago and Valparaíso they were highly visible. We
saw lots and lots of graffiti. We saw burnt-out traffic lights, replaced by
people who controlled traffic by holding up green, yellow and red signs. We saw
that most of the shop windows were either barricaded by metal or wooden protections
or the glass being replaced by plywood. We learnt that “ACAB = 1312 = All cops
are bastards” was a slogan on every wall. We heard that our bus had to take
another route because there was a bus burning on one of the main arteries into Santiago. We were warned not to go to certain place at specific times because from there demonstrations would start.
We were there for two days. On the first we
went to Santiago de Chile, on the second we visited Valparaíso and Viña del Mar. The guide on our first tour was very critical of the protests
and stated that “those young people just want everything for nothing” and that
they had no respect for the police and the military. Our guide on the second
tour told us that it was the slogan the right wing used: “They want everything
for nothing” to discriminate against those who had no other means to make
themselves heard. Although it was true that protests began because of the rise
of tariffs, he said, this was just a tip of the iceberg of so much which was
wrong in Chile, and by now the only question in the room was, should Chile get
a new constitution and who should decide what this constitution should look
like.
Santiago de Chile and Chile, the country,
played a great part in our life’s political experiences, with the election of
Salvador Allende in 1970 and the Pinochet Coup in 1973 with the following long
years of terror and torture. So while we visited Santiago and saw many
different parts of the city and historical places like La Moneda Palace and
Plaza de Armas with the cathedral, we had the feeling that the wounds still are
sore, although fifteen years have passed since the dictatorship came to an end
(Post-Pinochet -constitution in 2005).
There are a few things which were different
here in Chile compared to the other places we have visited on our cruise in
Latin America:
1.
The
enormous role of the military. The main square in every town is called Plaza de
Armas (Place of the Weapons). The most
beautiful buildings always belong to the army or the navy. There are a great
number of monuments of victories or battles fought by Chile against whomever.
Once she became a nation she must have immediately started to fight all her
neighbours for land and access.
2.
We
have seen many social differences in other places, like richness and poverty
side-by-side, but only here have we heard people like our guides talk so
intensively about the segregation of social classes. That the highest 10%
belong to the upper class and that they own everything. That there is a small
middle class who carries all the burdens and that the vast underclass is now
fighting to get even more than what they already get for free (our guide in
Santiago).
3.
We
interpret it as a sign of general poverty that we have never before seen so
many people on the street selling stuff, while they obviously aren’t traders,
but private people selling surplus clothes, furniture, toys etc. People with a
blanket in front of them and on it 5 worn-out jumpers. It might look like a
car-boot sale from afar, but it had nothing of the joy and fun one feels going
over a flea market. Michael said: “It looks like half of the Chilean population
is desperately trying to sell some stuff to the other half.” And that is a good
observation.
And what about the places you visited, you are
asking me. Santiago is situated between rather high mountains and thus they
have a bit of a problem with smog even on a sunny day, like the one we had.
They have lovely parts of the city with colourful murals on house facades and
the usual mixture of old and modern. The city seemed to be very calm; we felt
we saw less people on the streets than anywhere else. That might have been
because it was Sunday morning, or it might have to do with the problems I
talked about already.
Valparaíso for a long time was the more important
place, because the Panama Canal it was one of the most important harbours on
the west coast of the Americas. The town is built on 45 hills and we learnt
that each hill has its own lift from the centre up and their own
characteristics. Some even remind you of San Francisco. So we went up and down, saw the centre of town
down the hill and the universities up on the hills.
Viña del Mar is the newest of those
cities. It developed along the coast next to Valparaíso as a home for the well-to-do,
who did no longer want to live side-by-side with their poor neighbours. And
when you look at the coast this development goes on and on. The town‘s
architecture and its many museums present a bit of the wealth and the wellbeing
of its inhabitants.
On Monday evening we left Valparaíso and we are
now on our way to Arica, the last stop in mainland Chile, where we will arrive
Thursday morning.
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