Die erste Geschichte, die man
über die Osterinsel erzählen muss, ist eine mythische: Menschen, die von weit,
weit her über den Ozean kamen und hier landeten, glaubten ein Paradies gefunden
zu haben. Millionen von hohen Palmen schwankten sanft im Wind über einer
üppigen Vegetation auf vulkanischen Hängen, aber die Vulkane selbst schliefen
schon seit langem; das Meer voller Fische, die Luft voller Vögel. Glücklich
besiedelten sie die Insel.
Dann jedoch – aus Irrationalität
und Unverantwortlichkeit – zerstörten sie dieses
Paradies und machten es –
nicht gerade zu einer Wüste – aber zu einer Umwelt gänzlich ohne Bäume, welches
bedeutete, dass sie sämtliche Funktionen, die Bäume im natürlichen Kreislauf
haben, verloren; vor allem konnten sie keine Boote mehr bauen, um zu fischen,
oder um eventuell die Insel auch wieder zu verlassen und sich woanders
anzusiedeln.
Auf der Insel, die einmal Heimat
für ca. 20.000 Menschen bot, brachen Kämpfe (um die knappen Ressourcen) aus und
um 1877 war die Bevölkerung auf nur 111 Personen
zusammengeschrumpft. Man
könnte sich jetzt fragen, was der Mensch sich dabei dachte, als er den
allerletzten Baum fällte und ob er sich überhaupt etwas dabei dachte.
Die zweite Geschichte ist die
Geschichte der Insel, die heute wieder einmal ein Paradies ist, aber eines für
Archäologen und Touristen, die die Resultate dieser Irrationalität studieren
und bewundern, d.h. die berühmten Figuren, die Moai, die
Plattformen, auf denen
sie gestanden haben, die Ahu, die Hüte, die einige von ihnen noch tragen, die
Pukao, und all die anderen Funde einer Kultur, die verloren und nur schwer zu
entziffern ist. Schwer zu entziffern im wörtlichen Sinne, da es durchaus
Inschriften auf den Figuren in Rongorongo gibt, die vielleicht Erklärungen
liefern könnten, aber auch das Wissen um diese Bildersprache ist verloren
gegangen.
Die allgemein akzeptierte
Theorie ist, dass die Moai dazu da waren, wichtige Vorfahren zu ehren, die als
Beschützer der Gemeinschaft angesehen wurden, da nahezu alle Statuen ins Land
blicken. Es gibt nur eine Gruppe, deren Blicke aufs Meer hinausgehen. Unter den
Ahu hat man auch Gräber gefunden mit Skeletten, aber keine Mumien.
Diese Plattformen und die
Statuen wurden, so nimmt man an, in den Kämpfen nach der selbstverschuldeten Umweltkatastrophe
zerstört. Auch der Kult wurde durch einen neuen ersetzt, und zwar den des
‚Birdman‘, des Vogelmannes. Das wichtigste jährliche Ereignis dieses Kultes
war, dass ausgesuchte Männer zu einer Insel schwimmen mussten, und der erste,
der ein unbeschädigtes Ei zurückbringen konnte, war dann für den Rest des Jahr
so etwas wie der Herrscher, bis ein neuer Vogelmann gekürt wurde. Das war
deshalb so wichtig, weil nach dem Wegfall der Fischerei von Booten aus Vögel
ein Hauptbestandteil der Nahrung wurden. Dieser Kult hinterließ einige
Steinbilder, aber nichts im Vergleich mit dem früheren Reichtum kulturellen
Ausdrucks.
Die Europäer schleppten, wie
überall auf der Welt, Krankheiten ein, die die Bevölkerung weiter dezimierten.
Nach ihrer eigenen Unabhängigkeit kamen die Peruaner und verschleppten ein
Drittel der Bevölkerung als Sklaven für ihren Bergbau. In der allgemeinen
Sklavenbefreiung wurden auch die meisten von diesen wieder zurückgebracht, aber
der angerichtete Schaden konnte dadurch nicht mehr gut gemacht werden.
Heute leben ca. 7.000 Menschen
auf der Insel, die Hälfte davon in Hanga Roa, dem Ort, wo sich Verwaltung,
Hafen und Flughafen befinden. Die Insel gehört geographisch zu
Polynesien, seit
1888 politisch zu Chile und genießt jetzt aber einen besonderen Status. Der
Nationalpark von Rapa Nui ist UNESCO Weltkulturerbe. Tourismus gehört
mittlerweile zu den Haupteinnahmequellen der Insel. Es gibt fünf Mal in der
Woche Flüge von und nach Chile und ab und zu ein Kreuzfahrtschiff, so wie
unseres, das auf einen Schlag die Zahl der sich auf der Insel Befindenden um
50% ansteigen lässt. Die meisten der lebensnotwenigen Güter müssen immer noch
von außen herein gebracht werden, aber es gibt immerhin schon Aufforstungen und Obstanbau. Man muss sich nur immer wieder klar machen, dass jede Palme, jeden Baum, den man sieht, von außer hereingebracht und hier gepflanzt worden ist. Nichts ist übrig geblieben von den ursprünglichen Baumarten und anderen verwandten Vegetationen.
Die dritte Geschichte handelt
nun von uns und was uns an diesem Tag passierte. Die Osterinseln waren eines
der Traumziele, wegen dessen wir diese Reiseroute gewählt hatten. Es erschien
uns wie einer der Orte, der am weitesten entfernt von allen Erfahrungen lag,
die wir bisher gemacht hatten. Daher waren unsere Erwartungen sehr hoch.
Der Tag begann schon mit richtig
scheußlichem Wetter (und wir haben bisher mit dem Wetter viel Glück). Heftiger
Regen und eine sehr raue See machten das Tendern zu mehr als einem Abenteuer.
Immer wieder musste der Prozess unterbrochen werden, dann Abwarten, es neu
versuchen, wieder aufgeben, ein neuer Versuch. Schließlich landeten wir auf der
Insel, aber der ganze Ablauf war völlig durcheinander gekommen, und so fand
unsere gebuchte Tour erst um 15:00 h statt. Es gibt auf der
Insel nur abzählbar
viele Autos oder Busse. Ich vermute, sie haben jedes Fahrzeug engagiert, das
genug Passagiere aufnehmen konnte, um die 2.000 oder sogar mehr Besucher auf
ihre Touren um die Insel zu schicken. So gab es ein gewisses Chaos und ein
Ratespiel: „Ist das jetzt vielleicht unser Bus? Gibt es hier noch jemanden, der
dieselbe Tour Nummer hat wie wir?“ Unsere war übrigens die 72. Tour an diesem
Tag und es war bei weitem nicht die letzte.
Schließlich waren wir zu
achtzehnt in einem kleinen Bus zusammengestopft und los ging es. Wir besuchten
drei historische Stätten und natürlich sahen wir auch eine Menge von der leer
gefegten Landschaft. Der erste Stopp war bei Anakena, einer Plattform mit
sieben Moai
und einem einzelnen ein Stück weiter entfernt über einem schönen
Strand, wo, so geht die Geschichte, vormals die ersten Siedler landeten. Der
zweite war Ahu Tongariki, wo 15 Figuren erst vor relativ kurzer Zeit wieder auf
die Plattform gestellt worden sind (die meisten Statuen waren umgeworfen oder
zerstört worden und sind erst in der Neuzeit wieder aufgestellt worden). Diese
Gruppe, ebenso wie die erste, schauen ins Land hinein, und diese Gruppe schaut
auch in Richtung des Rano Raraku Kraters, der unser drittes Ziel war, denn dort
wurden die Figuren ursprünglich aus dem vulkanischen Tuff-Stein gehauen. Dort
konnten wir Figuren in allen Stadien der Fertigung sehen, solche, die noch halb mit dem Fels verbunden waren, solche die halb oder ganz fertig, aber niemals wegtransportiert wurden. Man kann dort eine Menge über die Steinmetzarbeit lernen, die dazu nötig war, diese Figuren zu schaffen, wie aber der Abtransport erfolgte, und ob die Transportmethode etwas mit dem Raubbau an Bäumen zu tun hatte, ist immer noch ungeklärt.
Während wir also herumfuhren und
besichtigten, regnete es ständig mehr oder weniger heftig, und der Boden, auf
dem wir liefen, verwandelte sich in reinen Matsch. Man musste vorsichtig sein,
denn meist war es dadurch auch noch glitschig und die Gefahr bestand, auch noch
mit dem Hosenboden Bekanntschaft mit dem Matsch zu machen. Zurück im Bus waren
wir 18 dann ein mehr oder weniger nasser, mehr oder weniger eingeschlammter
Haufen. Was nicht gerade lustig war.
Aber der Höhepunkt kam erst
noch: als also unsere Exkursion Nr. 72 zum Hafen zurückkehrte, fanden wir dort
eine schier endlose Schlange von Passagieren vor, die alle zurück zum Schiff
wollten/mussten. Die Schlange reichte um das gesamte Hafenbecken herum,
hunderte von Menschen, die nur eine Idee hatten: Raus aus der Nässe! Raus aus
dem Matsch! Die Tenderboote führten einen heroischen Kampf gegen Wind, Wellen
und Felsen und ab und zu kam auch eines durch. Aber Michael kalkulierte, dass
sie bei diesem Tempo etwa 5 Stunden brauchen würden, bis auch der letzte
Passagier wieder an Bord sein würde. Es war jetzt um 19:00 Uhr herum und
eigentlich sollte das Schiff um 20:00 weiterfahren.
Schließlich war es für uns doch
nicht ganz so schlimm. Wir standen ungefähr eine Stunde an, um auf das Boot zu
kommen, die Fahrt zum Schiff dauerte dann noch ungefähr eine halbe Stunde. Und
dann kam der letzte Härtetest: Jeder einzelne Passagier musste auf das
Kommando: „Spring!“ warten und dann springen. Und ich meine wirklich
‚Springen‘, weil das Boot und die Plattform, auf der man möglichst landen sollte,
sehr unterschiedlich auf den Wellengang reagierten. Gut, was kann ich sagen:
Liebe Leser/innen, wir haben es geschafft!
Als wir an Bord der ersten
Passagierin begegneten, die fein gekleidet auf dem Weg zum Dinner war,
durchzuckte es mich: ‚Ich repräsentierte die Wildnis (nass und matschig), sie
die Zivilisation. Und wir beide habe nichts gemeinsam!‘
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The first story one has to tell about the
island is a mythical one: people came from far, far away over the ocean, landed
on an island and felt they had found paradise. Millions of tall palm trees over
lush vegetation on volcanic slopes, but the volcanos were dormant; the sea full
of fish, the air full of birds. They were happy to settle here.
But then, out of irrationality and irresponsibility
they destroyed what before was paradise and turned it into – well, not a desert
– but a surrounding without any trees, which meant that they lost the function
trees
have for the environment, they lost their ability to build boats to go fishing or to eventually even get away and settle somewhere else. The island which once was home for maybe 20.000 people fell into strife and in 1877 a population of only 111 people remained. You can wonder what the person thought he was doing when he felled the last tree and if he thought anything at all.
have for the environment, they lost their ability to build boats to go fishing or to eventually even get away and settle somewhere else. The island which once was home for maybe 20.000 people fell into strife and in 1877 a population of only 111 people remained. You can wonder what the person thought he was doing when he felled the last tree and if he thought anything at all.
The second story is the story of the island,
which today is a paradise for archaeologists and for tourists to see and
explore the result of human irrationality, i.e. the famous statues, the Moai, the
platforms on which they stood, called Ahu, the hats some wear, called Pukao, and
all the remains of a culture which is lost and is hard to decipher, even literally,
as there are inscriptions in Rongorongo, which perhaps would explain things,
but the knowledge of these glyphs is also lost in time.
A theory goes that those Moai were there to honour
famous ancestors, who act as guardians of the people as nearly all of them look
inwards towards the island. There is only one group which looks out unto the
sea. Underneath the Ahus graves, remains of skeletons were found, but no mummies.
Those platforms and statues were destroyed in
what is thought to have been warfare and the cult was replaced by the birdman
cult who was still in praxis when the first Europeans arrived. The main event
of the birdman cult was the task to swim to an island and bring back one egg
safely. That was of such importance for the island because without boats, birds
became a main source of food for the survivors. The winner was something like a
king for the next year, until the next birdman was found. This cult has left
some glyphs but nothing comparable to the former richness of cultural
expression.
The Europeans brought illnesses like anywhere
else, which further decimated the population. Later after their own
independence the Peruvians came and took a third of the population back to Peru
to work as slaves in the mines. They repatriated most of them soon, when
slavery was ended in general, but the harm that had done to the community could
not be made undone.
Today the island has ca. 7,000 inhabitants,
half of which lives in the main town Hanga Roa, where you can find the
administration, the port and the airport. The island is part of Polynesia, but
belongs since 1888 politically to Chile and has now a special status. The
National Park of Rapa Nui is part of UNESCO World Heritage sites. Tourism is
one of the main businesses of the island. There are five flights per week to and
from Chile and the odd cruise ship like ours, which easily adds 50% to the
population. Although most of necessary goods still have to be brought to the
island they have re-cultivated at least part to the land. But all the trees you
see today have been brought to the island and planted. Nothing remains of the
original palm tree population and other connected vegetation.
The third story is about what happened to us
while we were there. It was one of the highlights, one of the places we dreamed
about when we booked this cruise. It was the place most far away from everything
we had ever experienced in our lives. So our expectations were enormous.
The day started with really bad weather (and up
to now we were extremely fortunate as far as the weather was concerned). Heavy
rain and a heavy sea made tendering more than an adventure. So everything was
delayed and stopped and started and stopped again. We eventually made it to the
shore, but our tour was delayed until 15:00 h. There are only so many cars or
buses on the island and I think they employed each and every vehicle for the 2,000
and more visitors to be taken out of Hanga Roa and around the island. So there
was a bit of chaos and a guessing game: ‘Would the next bus arriving be ours?
Who else was there with our bus number?’ Actually ours was the 72nd
tour and ours was not the last one by far.
Eventually we were in a small bus carrying
about 18 people and off we went. There were three historical sites we visited,
besides quite a bit of the still empty countryside: the first was Anakena,
right on the beach with seven Moai on a platform and a single one nearby. That
beach, the story goes, was, were the first settlers landed. The second was Ahu
Tongariki, where 15 figures were recently re-erected (most of the statues,
which stand on platform today, have been found near ahus and have been
re-erected in modern times). They, as does the first group, look inwards and in
Tongariki they look towards our third stop, the Rano Raraku Crater, where the
statues were carved out of volcanic tuff. There we could see statues still half
in the stone wall, half-finished and abandoned statues, some standing, some
face down. At least the place tells a lot about how they were carved and in
what steps they were finished. What is still unclear is how they were transported
and if the loss of all and every tall tree had something to do with that.
So while we were driving around and visiting
the sites it was raining all the time, sometimes heavier, sometimes less. The
ground very quickly became one big mud bath. You had to find your steps very
carefully, because it was so slippery. And back in the bus, we 18 wet people
huddled together – it was not really our idea of fun.
But the real challenge came at the very end:
when our excursion no. 72 returned to the harbour we were met by a queue which
went all the way around the small harbour: hundreds of passengers, who all
waited for their chance to get on to a tender boat, just to get out of the rain
and the mud. The tender boats fought a heroic fight to reach the pier, but the
rough sea made it extremely difficult. Our hearts sank, when we took our place
in that queue. Michael calculated that it would take five hours with that kind
of operation to get all passengers back on board. By then, it was around 19:00
h and departing time was supposed to be around 20:00 h.
In the end it was not that bad, it took us
about one hour to get to the boat and then about half an hour to get to the
ship. And there the last challenge: Every passenger had to wait for an order
and then jump over to the platform. And when I say ‘jump’, this is what I mean,
because of cause the platform and boats followed the waves differently. Well,
what can I say: Reader, we made it!
When the first civil person we met on the ship was
a well-dressed lady on her way to dinner I thought: ‘I am wilderness (wet and
muddy) and she is civilisation and there is nothing we have in common!’.
Well at least you made it, even if conditions were far from ideal. And you have a good, dramatic story to tell people when you get home. (No-one ever wants to hear about the times when everything went smoothly!)
AntwortenLöschenThe weather sounds the same as we've been experiencing in Scotland lately...
Cheers,
Gail.